Ein "Wohnzimmer"
für bis zu 11.000 Fans

Für Karl-May-Fans ist das Freilichttheater am Kalkberg der Ort, an dem die Helden Winnetou und Old Shatterhand für das Gute kämpfen und an dem die Traumwelt des sächsischen Schriftstellers Jahr für Jahr lebendig wird. Doch das Theater am Fuße der Felswand bietet noch viel, viel mehr. Seit Jahrzehnten treffen sich hier die Stars des deutschen und internationalen Musikgeschäfts – und viele von ihnen waren von der einzigartigen Atmosphäre so begeistert, dass sie nur allzu gern wiederkamen.

Unternehmen wir eine kleine Zeitreise – zurück ins Jahr 1981. An gleich zwei Juli-Abenden füllte ein Weltstar, der später mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, die 11.000-Zuschauer-Arena spielend: Bob Dylan. Natürlich endeten die Konzerte mit dem unsterblichen Song „Blowin‘ In The Wind“. Im Jahr zuvor hatten Panikrocker Udo Lindenberg („Alles klar auf der Andrea Doria“) und die US-Folksängerin Joan Baez („We Shall Overcome“) ihre Fans nach Bad Segeberg gelockt.

Aber auch Reggae-Star Jimmy Cliff („Vietnam“), Mikis Theodorakis („Alexis Sorbas“) und Pop-Legende David Bowie („Space Oddity“) kamen in jener Zeit nach Norddeutschland, weil sie gehört hatten, hier stehe eine der schönsten Freilichtbühnen von ganz Europa. Und es ist tatsächlich so: Das Freilichttheater wirkt (besonders an lauschigen Frühlings- und Sommerabenden) so heimelig und fast schon intim wie ein geschlossenes Haus – aber das Ganze bei traumhaften Sonnenuntergängen, unter dem Sternenhimmel und an der frischen Luft. Rockstar Peter Maffay liebt das Kalkbergstadion so sehr, dass er bei jeder Open-Air-Tournee hier zu Gast ist. Er nennt es liebevoll sein „Wohnzimmer“. Bis zu fünf Konzerte am Stück hat er schon in Bad Segeberg gegeben – und den Anwohnern hinterher als Dank für die gute Nachbarschaft bei einem speziell für sie ausgerichteten Grillfest persönlich Würstchen und Kartoffelsalat serviert.

Die Konzert-Erfolge waren Anfang der 80er Jahre für die Karl-May-Spiele allerdings eine große Gefahr. Es mehrten sich in der Stadt die Stimmen, man solle das aufwändige Wildwest-Theater zu Gunsten einer reinen Musikarena einmotten. Doch glücklicherweise wurden diese Gedankenspiele nicht in die Tat umgesetzt – und Winnetou blieb den Zuschauern erhalten.

Eine Zeit lang ging der Reigen der Weltstars weiter. Elton John („Candle In The Wind“) war ebenso da wie Neil Diamond („He Ain’t Heavy…He’s My Brother“) und Stevie Wonder („You Are The Sunshine Of My Life“). Die Beach Boys luden zum „Surfin‘ USA“ ein und besangen ihre „Bar-bar-bar-bar-bar-ara Ann“; und Fleetwood Mac begeisterten ihre Fans mit „Litte Lies“ und anderen Hits. Das letzte Konzert dieser Ära war ein Auftritt von Marius Müller-Westernhagen („Freiheit“).

Die zweite Konzertreihe gibt es bis heute: die Schlagernacht. Sogar Wolfgang Petry (der später auch eigene Shows am Kalkberg spielte) und Helene Fischer zählten zu den Gästen. Kreativer Kopf hinter der Schlagernacht ist mittlerweile Hans Scherer, der schon als RSH-Programmdirektor die Oldie-Nacht erfunden hatte.

In der Folge konzentrierte man sich auf zwei Konzertreihen. Als erste kam die Oldie-Nacht, die zunächst von RSH und später Radio NORA veranstaltet und mehrfach umbenannt wurde. Bands wie The Seachers, The Rubettes, Sängerin Suzi Quatro und vor allem die Kult-Combo Smokie prägten diese Musiknächte. Für unfassbare Gänsehaut sorgte anno 1995 der neue Smokie-Sänger Mike Craft. Für ihn war es der erste große Auftritt. Sein Vorgänger Alan Barton war kurz zuvor in der Nähe von Düsseldorf nach einem Unfall mit dem Tourbus gestorben. Unbehelligt schlenderte Mike Craft mit der Videokamera durch das Theater und filmte die Menschen, die gleich zu seinen Fans werden würden. Als er dann die ersten Zeilen von „I’ll Meet You At Midnight“ sang, brandete unbändiger Jubel auf. Der neue Sänger hatte genau die warme Raspelstimme, die man von Smokie erwartet. Die Oldie-Nacht endete im Jahre 2011 mit der 20. Ausgabe.

Zu den wenigen Konzerten außerhalb der beiden Reihen und einigen Feuerwehrgroßkonzerten gehörte in den 90er Jahren der Auftritt von Opernstar Montserrat Caballé. Als ihr eine indianische Friedenspfeife angeboten wurde, nahm die Spanierin sie gerne an  – und konterte mit einem Augenzwinkern: „Ich wusste gar nicht, dass man hier ist in Krieg mit die Musik!“ War man auch nicht. Das konnten wenig später Chris de Burgh („Lady In Red“) und die Schürzenjäger („Träume sind stärker“) bezeugen. Für fast jeden Musikgeschmack ist im Bad Segeberger Musikprogramm etwas dabei. So hüpfte auch DJ Bobo zu seinen Ohrwürmern über die Bühne.

Ab 2011 wurde das Konzertprogramm auch abseits von Oldies, Schlagern und Maffay zu neuer Blüte geführt. Die Liste der Künstler liest sich wie ein Who Is Who der Musiklandschaft.

Nicht nur, dass die Seebären von Santiano die Arena inzwischen zu ihrem jährlichen Ankerplatz mit jeweils zwei Konzerten gemacht haben – es folgten auch Abende mit Star-Geiger David Garrett, Torfrock, Status Quo, Unheilig, Mark Forster und Namika, Cro, Fury In The Slaughterhouse, Silbermond, Revolverheld, Johannes Oerding, Michael Schulte und Max Giesinger. Mit dem „Felsenburg-Festival“ wurde eine neue, mitteralterlich angehauchte Reihe gestartet – und auch die neue Show „Pop am Kalkberg“ wird fortgesetzt.

Man sieht: Das Bad Segeberger Freilichttheater am Kalkberg lohnt für Musikfreunde auch außerhalb der Karl-May-Saison einen Besuch.